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Autor: (steine-und-minerale.de) | Letzte Aktualisierung: 08.04.2024


Bonifatiuspfennig

Bonifatiuspfennig - Entstehung und Herkunft

bonifatiuspfennig Foto
Bonifatiuspfennig


Bonifatiuspfennige, Hexengeld und Seelilien

Namenspate der Bonifatiuspfennige ist der englische Missionar Bonifatius (675 bis 757). Mit dem Auftrag, Europa vom Christentum zu überzeugen, führte es den Bischof u.a. in weite Teile Deutschlands.

Eines der ersten Ziele der Christianisierung sollte Thüringen sein, da hier nach Ansicht der Kirche in Rom die Dichte an Heiden am größten war. Diejenigen, die sich nicht zum Glauben bekennen wollten, hatten Abgaben in Form von Geld zu leisten. Als Zahlungsmittel dienten die in der Gegend zwischen Ohrdruf und Erfurt (Thüringen) verbreiteten versteinerten Seelilienstängel, die als Hexengeld und Wichtelpfennige, später auch unter dem Namen Bonifatiuspfennige geführt wurden.

Weitere Namen, unter denen Bonifatiuspfennige vor allem in der historischen Literatur zu finden sind, sind "Lilienstein", "Sonnenstein" wegen der sonnenstrahlenartigen Prägungen oder "Schraubenstein" als Ausdruck für Negativabdrücke in Kalksteinen (siehe Rinman, 1808).


bonifatiuspfennige - Mineral und Kristalle
Bonifatiuspfennige

Eigenschaften von Bonifatiuspfennigen

Bonifatiuspfennige werden in der Paläontologie als Trochiten bezeichnet und verweisen etymologisch auf die runde Form des Fossils.

Im Speziellen handelt es sich bei Bonifatiuspfennigen um die aufbauenden Stielglieder von Seelilien, die zu Lebzeiten aus kalkhaltigen Crinoidenskeletten aufgebaut waren.
Seelilien zählen zu den Gewebetieren. Die in der Tiefsee lebenden Organismen existieren seit 513 Mio. Jahren und auch heute findet man die mit Seesternen und Seeigeln verwandten Seelilien noch.

Eine Unterscheidung zwischen fossilen und rezenten Seelilien nahm bereits 1789 der Naturwissenschafter Carl Philipp Funke (1752 bis 1807) vor: "Die nicht versteinerten Seelilien unterscheidet man durch die Benennung Encrinus"; de versteinerten der Vorwelt heißen aber zum Unterschiede Encriniten."

Die Gestalt von Bonifatiuspfennigen erinnert an kleine Taler, die von hellbrauner bis grauer Farbe sind.
Der Durchmesser der Fossilien reicht von wenigen Millimetern bis zu einigen Zentimetern.

Auffällig sind bei gut erhaltenen Trochiten die randlich, scheinbar eingestanzten Rillen, die von der Mitte des Fossils ausgehen (deshalb auch gelegentlich als Sonnenrädchen oder Sonnensteine bezeichnet). Häufig ist im Mittelpunkt von Bonifatiuspfennigen eine Öffnung zu erkennen, die zu Lebzeiten als Versorgungskanal diente.

Schon 1821 stellte der Naturforscher Christoph Bernoulli (1782 bis 1863) fest, dass "am häufigsten finden sich einzelne Glieder des Stiels"; komplett erhaltene, versteinerte Seelilien sind dahingegen eine Seltenheit. Ergänzend fügte Bernoulli hinzu, dass ein einzelner Bonifatuispfennig "Räderstein" und mehrere zusammenhängende Exemplare "Walzensteine" genannt werden.


Versteinerte Seelilie Abbildung aus: Die Thierwelt von Rudolf Bommeli 1894

Entstehung und Verbreitung von Bonifatiuspfennigen

Seelilien zählen zu den sogenannten lebenden Fossilien – Organismen und Pflanzen, die sich innerhalb vieler Jahrmillionen nicht erwähnenswert in Aussehen und Aufbau verändert haben – und sind heute noch auf der Südhalbkugel in Äquatornähe zu finden.

Die Versteinerung der Stielglieder von Seelilien setzte zum Zeitpunkt des Übergangs von Trias zu Perm, vor ca. 300 Millionen Jahren ein. Zu dieser Zeit veränderten sich die Lebensbedingungen der im Meer lebenden Seelilien, so dass diese starben und auf den Meeresboden niederfielen.

Überlagernde Schichten aus Sanden verhinderten die Zersetzung der Stielglieder. Im Laufe der Zeit ersetzten in den Sedimenten zirkulierende Calcitlösungen das chemisch instabilere Skelett der Seelilien. Durch weitere Ablagerungen wurden die fossilisierten Bonifatiuspfennige samt des umgebenden Kalkgesteins diagenetisch verfestigt. Nach dem Rückzug des Meeres und/oder infolge von Gebirgshebungsprozessen gelangte der sogenannte Trochitenkalk schließlich an die Erdoberfläche.

Die Vorkommen von Bonifatiuspfennigen befinden sich deshalb in etlichen Kalksteingebieten der Welt; Georg Adolf Suckow (1751 bis 1813; Mineraloge) nennt als Fundort von Bonifatiuspfennigen unter anderem Querfurt, Bad Langensalza, Goslar, Göttingen sowie Hildesheim oder im Crailsheimer Trochitenkalk.


Verwendung und Bedeutung von Bonifatiuspfennigen

In der Vergangenheit dienten Bonifatiuspfennige, wie bereits erwähnt, als Münzen. Aus England sind Aufzeichnungen bekannt, denen zufolge der englische Mönch Sankt Cuthbert Bonifatiuspfennige sammelte, um daraus Rosenkränze zu fertigen. Die Perlen tragen ihm zu Ehren deshalb auch den Namen St. Cuthbert beads.

Auch nichtchristliche Menschen nutzten die Sonnenrädchen, um daraus Schmuck zu fertigen.

Heutzutage werden Kalksteine, die Bonifatiuspfennige enthalten, als Material für Gebäude oder Fußböden verwendet.



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Quellen:
⇒ Suckow, G. A. (1804): Anfangsgründe der Mineralogie nach den neuesten Entdeckungen
⇒ Rinman, S. (1808): Allgemeines Bergwerkslexikon
⇒ Funke, C. P. (1809): Versteinerte Seelilien oder Encriniten der Vorwelt. IN: Ausführlicher Text zu Bertuchs Bilderbuche für Kinder. Ein Commentar für Eltern und Lehrer, welche sich jenes Werks bei dem Unterricht ihrer Kinder und Schüler bedienen wollen · Band 12
⇒ Bernoulli, C. (1821): Versteinerte Crustazeen. IN: Grundriss der Mineralogie
⇒ Bommeli, R. (1894): Die Thierwelt. Eine illustrierte Naturgeschichte der jetzt lebenden Thiere. In gemeinverständlichen Abhandlungen und nach dem neuesten Standpunkte der Naturwissenschaften für das Volk
⇒ Reinicke, R. (2007): Steine am Ostseestrand. Demmler Verlag Schwerin
⇒ Ivanov, M.; Hrdlickova, S.und R. Gregorová (2005): Illustrierte Fossilien-Enzyklopädie



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